Im Mitteilungsblatt der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid las ich eine ganz unscheinbare Zeile unter:
„Evangelische Kirchengemeinde Neunkirchen“
Samstag, 25.September 14 Uhr Frauenwanderung (nur Geimpfte)
Da ich geimpft bin und eine Wanderung vor Jahren in sehr guter Erinnerung habe rief ich Karin Schwarz an, um Näheres zu erfahren.
Glückstreffer: Sie ist die Initiatorin der diesjährigen Wanderung und sie führt nach Much zum Skulpturenweg „Sieben Sinne“, der 2006 eröffnet wurde. Dauer ca. 1 ½ Stunden.
Große Überraschung: 14 Uhr Treffpunkt an der Evangelischen Kirche, wer kam? Niemand mehr! Ich war die einzige Interessentin.
Habe Karin Schwarz angeboten, die Wanderung fallen zu lassen, aber nein, sie wollte sie gerne machen.
Nach einer kleinen Einführung durch das Kräutergärtchen an der Kirche und einem Gebet des Heiligen Franz von Assisi fuhren wir nach Much.
Strahlender Sonnenschein! Ideale Voraussetzung für diese kleine Tour durch den blitzsauberen Ort Much von Station zu Station.
Von der Wahnbachtalstraße kommend parken wir auf dem großen Gelände des Einkaufszenters am Ortseingang und sofort führt uns der Weg am Ende des Parkplatzes auf einem Wiesenpfad „Zum Walkweiher“ und hier zu einer Gedenkstätte. „Die an dieser Stätte 1941-1942 Internierten Juden aus dem Siegkreis wurden von hier aus nach Theresienstadt und in die Vernichtungslager des Ostens deportiert.“
Am Walkweiher befinden sich zwei Installationen des Skulpurenweges:
Für uns die erste Komposition des Skulpturenweges ist nur wenige Schritte entfernt:
„Einzeln aber gemeinsam“
von Werner Albrecht
„Es wurde darauf Wert gelegt, nicht eine bestimmte Person, sondern Frau-Mann-Kind gemeinsam oder jeder für sich alleine laufend darzustellen.
Aus dem behüteten Haus tritt jeder einzelne heraus, um auf dem Wanderweg den Rhythmus für sich und sein körperliches Wohlbefinden zu erlangen.
In besonderem Gedenken an die historische Bedeutung des Aufstellungsortes hat Werner Albrecht seine Gruppe in Bewegung dargestellt, da Bewegung auch al Flucht bewertet werden kann.
Intension des Künstlers ist es, die vorbeikommenden Menschen zum Gespräch miteinander anzuregen und somit durch seine Kunst zusammen zu führen.“
Gleich – quasi nebenan – lediglich einige Schritte durch das nasse Gras steht die nächste „Komposition“
„Licht und Leben“
Werner Ratering
„Die künstlerische Arbeit von Werner Ratering artikuliert sich in einem Grenzbereich zwischen naturbelassener, amorpher Felsform und kalkuliert gestalteter Kunstform. Seine Gestaltung gilt der Einheit von Material und Form. Hier, beim „Tor“ für Much, arbeitet Ratering mit dem ausgesuchten, quaderhaften Ursprung geologischer Sandsteinformen, die sich so unmittelbar in architektonischer Struktur denken lassen. Lässt die große Form Erinnerungen an alte, megalithische Steinsetzungen frei werden, verweist die aus dem oberen Stein herauswachsende, vergoldete Form auf ein immer wiederkehrendes „Jetzt“: Die Skulptur bezieht sich also nicht nur auf ein Innen und Außen, sondern hat einen verblüffenden Aufforderungscharakter: „Durchschreite mich!“, könnte sie sagen. An genau dieser Stelle wird die Skulptur zu einem Raum mit arachaisch-suggestiver Kraft. Das Wesen dieses Raumes, so scheint es, will durchseine Funktion nicht das Material zivilisieren, sondern vielmehr durch seine Stofflichkeit einen „inneren“ Raum elementar erfahrbar machen. Diese Umdeutung verleiht det Arbeit von Werner Ratering eine in vielerlei Hinsicht interpretierbare, metaphorische Bedeutung, einen Sinn, der über die Sinnlichkeit des Werkstoffes, seiner Anordnung und Bearbeitung hinausführt. Es geht um die Erfahrbarkeit menschlicher Wahrnehmung als Ganzes. Hier nun erweitert Ratering das Thema der haptischen Sinne um ein Geistig/Seelisches: Die „Schwellensitutation“, als immer wiederkehrende Chance, sich auf seinem „Weg“als Mensch bewusst zu werden. Hier und Jetzt, wissend, dass der Himmel uns nicht auf den Kopf fällt, sondern als ein Versprechen möglicherweise in uns ruht.“
Von hier aus begeben wir uns auf die viel befahrene Ortsdurchfahrtsstraße bis zum Kreisel und halten uns rechts zur Burg Overbach.
„Singende Sirenen“
Valentina und Horst Dieter Gölzenleuchter
„Die Sirenen, wie wir sie aus der griechischen Mythologie kennen, wollten mit ihrem Gesang die an ihrer Insel Vorbeisegelnden ins Verderben locken, u.a. Odysseus mit seinen Gefährten.
Den Sirenen von Burg Oberbach ist dies fremd. Im Gegenteil, zwar möchten sie die Menschen zu sich rufen, ja anlocken, aber ihr Begehren ist es eher, (auch) ei Mondschein den Verliebten von heute etwas on den Verliebten vergangener Zeiten zu berichten. Jenen Verliebten, die sich vor der Burg, am Wasser, heimlich oder offen trafen. Singend erzählen sie von deren traurigen wie glücklichen Begegnungen. Ihr Begehren ist es, die am Tage an der Burg Vorbeiziehenden zum Innehalten zu bewegen, um bei ihnen Momente der Nachdenklichkeit, der Besinnung zu erzeugen. Ein Insichhineinlauschen über Vergangenes und Gegenwärtiges. Über Natur und Mensch, das Rauschen in den Bäumen, das Kommen und Gehen.“
Wir gehen zurück zum Kreisel und steigen in den Ort auf bis zum Raiffeisenplatz. Hier wartet die nächste Skulptur auf uns
„Begegnung“
Rosa Gilissen
„Zwei lebensgroße Bronzefiguren sind in ein Gespräch vertieft. Es ist die Begegnung zweier Frauen und auch eine Begegnung der Generationen: Die Ältere, dargestellt durch Rock und entspanntes Sitzen, wendet sich der Jüngeren zu, die Hand am Ohr, um besser hören zu können. Die Jüngere neben ihr mit überschlagenen Beinen und in aufrechter Haltung sitzend, führt die Hand zum Mund, scheint der Älteren flüsternd etwa mitzuteilen. Eine Szene auf einer Bank, welche, wo sich Menschen begegnen, alltäglich geschieht. Dazu ist eine abstrahierende Form gewählt, die diese Allgemeine berücksichtigt, so dass man sich in den Figuren wiederzuerkennen vermag.
Die Figuren sitzen auf der gleichen Ebene wie die Menschen und halten das Flüchige des Alltags fest. Setzen Sie sich auf eine der Bände neben die Firguren. Schauen Sie sich die Figuren an und spüren Sie sich hinein. Was mögen sich die beiden Frauen zu sagen haben? Der Fantasie sind wirklich keine Grenzen gesetzt.“
Wir biegen hier in die Dr. Wirtz-Straße ab und von dort die nächste Straße links hoch bis zur Rückseite des Rathausesf. Am blumengeschmückten Rathaus vorbei in den „Vorgarten“.
Hier warten die beiden Skulpturen
„tasten-treff.de“
„hören – austauschen – erreichbar sein“
Peter Nettersheim
„Die Figurengruppe nimmt in unmittelbarer Weise Bezug auf ihren Standort. Beide Figuren zeigen Tätigkeiten, die im Rathaus Much zum alltäglichen Ablauf gehören. Das Telefonieren und die Arbeit am Computer weisen darauf hin , dass Kommunikationsabläufe in unserer heutigen Gesellschaft den ständigen Umgang mit Gerten erfordern, die als mobile Systeme zum spezifischen Charakter einer mobilen Gesellschaft gehören.
Die Frau mit Handy steht für die sinnliche Wahrnehmung durch das Hören. Der Titel „hören-austauschen-erreichbar sein“ verweist darauf, dass die virtuelle Nähe und die Unabhängigkeit von zeitlicher und räumlicher Begrenzung immer stärker in den Vordergrund tritt.
Der Mann mit dem Laptop trägt den Titel „tasten-treff.de“. Neben die sinnliche Wahrnehmung über das Tasten tritt die Notwendigkeit des zielgerichteten Umgangs mit den Informations- und Kommunikationssystemen.“
Ein Stück gehen wir die Hauptstraße bergab, um dann rechts abzubiegen und quasi wieder in der zweiten Linie nach unten bis zum Kirchplatz zu gehen. Hier steht auf dem Kirchplatz die nächste Skulptur:
„Teilen“
Henryk Dywan
„St. Martinus ist der Patron der Mucher Kirche.
Seine Hilfsbereitschaft vor vielen Jahrhunderten, die Teilung de Mantels mit dem frierenden Bettler, ist auch heute noch aktuelles, notwendiges und nachahmenswertes Vorbild für christliche Barmherzigkeit und Humanität. Daher steht diese Skulptur für alle Vorübergehenden sichtbar aufdem Platz vor der Kirche.
Die Stele ist aus Betonguss, einem Material unserer Zeit. Die Figuren sind aus Bronze gegossen – dieses Material verweist in die Geschichte. Der Mantel ist vergoldet – Gold erinnert an die Liebe Gottes, die in Martinus sichtbar wird.“
Die Treppen vom Kirchplatz gehen wir runter und stehen an der Kreuzung Haupstraße/Kirchstraße.
Sehen und Fühlen
Hartmut Hegener
„Auf der Vorderseite der Stele ist der Schriftzug „MUCH“ und auf dr Rückseite der Schriftzug „MORE“ eingearbeitet. Und zwar in dr Weise, dass die gesamte Fläche von dn Buchstaben eingenommen wird. An den beiden freien Seiten verschmelzen die Buchstaben miteinander. Zusätzlich wird jeder Buchstabe als Blindenschrift dargestellt.
Die Form der Stele erinnert an den aufrecht stehenden Menschen, sie steht für Aktivität und Lebendigkeit. Die Größe ist bewusst so gewählt, dass der Betrachter zu ihr aufgocken muss. Ein Sinnbild dafür, dass es etwas Größeres gibt als den einzeln den Menschen – die Gemeinschaft. Nur mit Gemeinschaftssinn kann die Menschheit Große vollbringen, sie ist zu viel mehr, – „MUCH-MORE“ – fähig.
Ein Merkmal des Menschen ist das Beherrschen der Umwelt durch seine Sinne, wobei das Auge eine besondere Rolle spielt. Blinde Menschen müssen dies kompensieren, durch ein besseres Gehör, aber auch durch den bewussten Einsatz des Tastsinns.
Oft sind sie jedoch auch auf Hilfe aus der Gemeinschaft angewiesen. Ihr fehlender Gesichtssinn wird durch den Gemeinschaftssinn unterstützt, z.B. dadurch, dass gedruckte Schrift auch in Blindenschrift dargestellt wird.
Diese Gedanken und der Zufall, dass der Name MUCH auch noch eine hzweite Bedeutung hat, haben den Künstler zu diesem Objekt angeregt.“
Nun steuern wir den Adamsweg an, die nächste Skulptur wartet hier auf uns:
„Nachdenklich“
Lothar Klute
„Die Figur ist aus einer 120 mm Bronzewelle in einem Stück ausgeschmiedet, eingemeißelt, abgespalten und geformt.
Die Schlichtheit der schmiedetechnischen Umsetzung steigert die versunkene Nachdenklichkeit.“
So, die letzte Attraktion wartet etwas oberhalb – unterhalb des ehemaligen Klösterchens – auf uns:
„Tanzende“
Michael Salge
„Zwei verschiedenen Charaktere, symbolhaft dargestellt durch das ungleiche Paar aus einer phantastischen Welt, begegnen sich.
Gutes und Böses, Schatten und Licht, Geistiges und Triebhaftes treten in den Wettstreit.“
Wir haben in knapp 1 ½ Stunden die 9 Skulpturen gesucht, gefunden und bestaunt. Die Zeitangabe war also äußerst präzise!
Zum Abschluss sehen wir uns noch die Kneippanlage im Garten des des ehemaligen Klosters an, das heute eine Seniorenresidenz beherbergt.
Fazit:
Es war ein anspruchsvoller, besinnlich stimmender Rundweg durch Much und durch die kompetente, sachkundige Führung von Karin Schwarz hatte ich das große Privileg dies alles alleine genießen zu dürfen.
Schön war´s! Danke!
Anmerkung:
Die begleitenden Texte zu den Skulpturen sowie (weil die eigene Kamera streikte) die meisten Fotos stammen aus dem Führer des Verkehrsvereins Much e.V. „Skulpturenweg Much „Sieben Sinne“