Maischippern im Kohlenpott
am 6. Mai 2018
Diese Einladung bekamen wir von Hermann Weiler.
„Am 06.05.2018 (Maifeiertag an einem Dienstag) wollen wir einen schönen und ruhigen Tag auf dem Schiff im Kohlenpott verbringen.
Die fünf Schleusen Fahrt von Gelsenkirchen über Duisburg bis zum Baldeneysee zeigt Ihnen viele Facetten des Ruhrgebietes. Schlösser und Schleusen, auch das ist Ruhrgebiet, vom Rhein-Herne Kanal über die Wasserstraßen am Essener Stadthafen, über Bottrop und Oberhausen zur ersten Schleuse in Lirich die mit 190 Metern Länge und 12 Metern Breite die größte Schleuse auf dieser Reise ist. Über die kleinste Schleuse Raffelberg in Mühlheim, Kettwig und Baldeney und Werden erreicht das Schiff den Baldeneysee.
Wir passieren viele Zechenhäfen, den Industriehafen Mülheim und die Schlösser Landsberg und Hugenpoet.
Vorbei an blühenden Rapsfeldern und grünen Wiesen, Industrien und vielem mehr können sie 6 Stunden Schifffahrt genießen.
Ein Tag zur Erholung und zum Entspannen.
Schippern Sie mit uns in den Mai 2018!“
Das machte uns neugierig und wir meldeten uns an. Waren aber wohl zu langsam, denn die Fahrt war schon ausgebucht.
Aber: Hermann Weiler ist ja für sein Organisationstalent bekannt und er machte es möglich, dass „seine“ Gruppe das Schiff „Baldeney“ der Weißen Flotte für sich alleine bekam und somit war nochmal Platz für viele zu spät Gekommene.
Bequem konnten um 7:30 Uhr in Seelscheid am Ehrenmal 104 Teilnehmer den Doppeldecker-Bus besteigen. Busfahrer Peter fuhr uns souverän in 1 ½ Stunden zum Anleger GE-Nordsternpark in Gelsenkirchen.
Traumwetter! Azurblauer Himmel! Strahlender Sonnenschein! Kein Wind!
Bessere Bedingungen kann man sich für so eine Tour gar nicht wünschen..
Der Kapitän erklärte uns nach der Begrüßung zwar sofort er sei kein Reiseleiter sondern Schiffsführer, jedoch er übermittelte uns kurz und bündig, sehr informativ und gewürzt mit Anekdoten alles Wissenswerte entlang der 6 ½ stündigen – ca. 75 km langen – Schiffsfahrt auf der Wasserstraße des Ruhrgebietes.
Apropos Ruhrgebiet:
In unseren Köpfen spukt noch der rußgeschwärzte Kohlenpott.
Und was erleben wir?
Grün, grün, grün!
Wunder-wunderschön!
Es wird nicht langweilig beim Schauen.
Und informativ ist es noch dazu. Wir werden „schlau“ gemacht.
Der Rhein-Herne-Kanal entstand 1906 bis 1914 als Verbindung zwischen den Duisburg- Ruhrorter Häfen und dem bereits 1899 in Betrieb gegangenen Dortmund-Ems-Kanal mit dem 7,5 km langen Zweigkanal Herne, der später dem Rhein-Herne-Kanal zugeschlagen wurde.
Er zweigt aus dem Duisburger Hafenkanal am Becken C bei Kanalkilometer 0,16 ab und verbindet die Duisburger-Ruhrorter Häfen mit dem westdeutschen Kanalnetz. Bei Kanalkilometer 1,4 zweigt der Verbindungskanal zur Ruhr ab. Ab Oberhausen folgt der Kanal südlich und weitgehend parallel der begradigten Emscher.
Er zählt zu Europas meistbefahrenen Binnenschifffahrtskanälen. Zahlreiche Schiffe aus aller Welt passieren täglich Essener Gebiet entlang der Stadtteile Dellwig, Bergeborbeck, Vogelheim, Altenessen-Nord und Karnap. Ihre Fracht besteht aus Kohle, Steinen und Erden, Mineralöl, Erzen, Schrott, Baustoffen, chemischen Gütern und Nahrungsmitteln.
Neben der Funktion als wichtiger Transportweg wächst auch die touristische Bedeutung der Freizeitschifffahrt auf dem Rhein-Herne-Kanal, der Ruhr bis hin zum Baldeneysee. Freizeitskipper und Sportler tummeln sich auf der künstlichen Wasserstraße.
Wie wir selbst feststellen können.
Inzwischen wird der Kanal auch als Brückenlandschaft, als Kulturstraße tituliert.
Ich weiß nicht wie viele Brücken in allen möglichen Ausführungen ich fotografiert habe.
Auch auf die verschiedenen Kunstwerke entlang der Strecke weist der Kapitän hin:
Sei es der „verformte“ Trafomasten, Plakate die uns ob des Namens schmunzeln lassen: Pullioverschweine oder die von Graffitikünstlern verzierten Mauern.
Bemerkenswert: Die Flächen werden offiziell zur Verfügung gestellt und alle paar Monate dürfen sich andere Künstler dort für kurze Zeit „verewigen“.
Schon sehr aufwändig das Kunstwerk am Baldeneysee: Der Uhrenturm
Das Uhren-Kunstwerk „Time“ des Künstlers Christoph Hildebrand auf dem Dach des Regattaturms ist eins der letzten, verbliebenen Zeichen des Kulturhauptstadtjahres 2010. Die 20 Uhren laufen täglich: sie laufen schnell und langsam und vorwärts und rückwärts, immer unterschiedlich und abends sind sie beleuchtet.
Aber auch hochherrschaftliche Häuser, Schlösser und das älteste Fachwerkhaus hier in der Region gilt es zu bestaunen.
Ich greife nur einige heraus:
Das Schloss Landsberg ist eine Schlossanlage im Ruhrtal auf dem Stadtgebiet von Ratingen in unmittelbarer Nähe des Schlosses Hugenpoet.
Es steht nahe Kettwig an der Straße nach Mühlheim an der Ruhr-Mintard.
Die Anlage geht auf eine Mittelalterliche Höhenburg vom Ende des 13. Jahrhunderts zurück, die durch den Grafen Adolf V. von Berg erbaut wurde. Sie diente in jener Zeit vornehmlich zur Sicherung der nahe gelegenen wichtigen Brücke über die Ruhr, die Kettwig mit Ratingen verband. Seit spätestens 1288 gehörte die Burg den Herren von Landsberg, die ihren Stammsitz – mit einer Unterbrechung von 120 Jahren – bis 1903 besaßen.
Während des 17. und 18. Jahrhunderts mehrfach verändert, erhielt die Anlage ihre heutige Gestalt im Stil des Historismus durch den Industriellen August Thyssen, der sie 1903 erwarb und zu seinem repräsentativen Wohnsitz umgestalten ließ. Das frühere Gut Landsberg wird seit diesen baulichen Veränderungen Schloss Landsberg genannt. Es gehört seit 1926 einer Stiftung der Familie Thyssen. Nach wechselnder Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg ist es seit 1992 als Seminar- und Tagungsstätte an die Thyssenkrupp AG vermietet. Daneben gehört es zu mehreren Themenrouten der Route der Industriekultur. (Auszug aus Wikipedia)
Bei dem Namen Thyssen berichtete der Kapitän eine Anekdote zur Sparsamkeit von August Thyssen:
Thysens Kutscher durfte ihn nur von Landsberg bis zur Mülheimer Brücke fahren. Dort stieg er aus, ging zu Fuß über die Brücke, um Brückenzoll zu sparen und stieg dann in eine andere Kutsche.
Dazu meinte dann unser Kapitän: „Davon hat er seine zweite Fabrik gebaut.“
Wenn man bedenkt:
„August Thyssen kam als Selfmademan zu Geld. Als Ruhrpionier ist er nur mit dem großen Alfred Krupp zu vergleichen, der ebenfalls hoch über der Ruhr in Hügel seine „Burg“ gebaut hatte. Doch während der Essener auf Kohle aufgewachsen war, kam Thyssen (geboren 1842) aus Eschweiler ins Ruhrgebiet. 1871 hatte er mit der Thyssen KG einen der größten Montankonzerne gegründet.
Wie Krupp nannte sich auch Thyssen „erster Arbeiter seines Werkes“, ein sparsamer, fast knauseriger Mann.“ (von Jürgen Meyer)
Beachtlich ist auch die Geschichte des Schlosses Hugenpoet:
Eines der traditionsreichsten europäischen Schlosshotels wurde erstmals als Besitz von Karl dem Großen 780 erwähnt, dann mehrmals zerstört, immer wieder aufgebaut.
Johann Wilhelm von Nesselrode zu Hugenpoet ließ gemeinsam mit seiner Frau Anna von Winkelhausen sämtliche Ruinen im Jahr 1647 abreißen und – mit der äußeren Vorburg beginnend – an deren Stelle Schloss Hugenpoet im Wesentlichen in seiner heutigen Form neu aufbauen und seit 1880 ist es ein Hotel.
Der Name des Hotels Hugenpoet ist in der Übersetzung wenig erquicklich: Kröten-Tümpel.
Zu den Schleusen führt der Kapitän aus, dass es ursprünglich 7 Schleusen auf der Strecke gab, nunmehr sind es noch 5.
Als Exemplar des Sinns von Schleusen nehmen wir die Schleuse Duisburg-Meiderich, die 1980 bei Kanalkilometer 0,82 fertiggestellt wurde.
Sie ist die Eingangsschleuse des Kanals, deren 2 m hohes Untertor mit dem Steuerstand eine weithin sichtbare gelbe Landmarke in die Hafen- und Ruhrlandschaft setzt. Ihr Unterhaupt wurde den abgesunkenen Rheinwasserständen angepasst. Der Vorhafen der alten Schleuse ist noch heute im Unterwasser an der Mauerung der Kanalwände erkennbar. Als Reserveplatz für einen eventuell nötigen Neubau der Schleuse wird er nicht verfüllt.
Der Vorgängerbau der heutigen Schleuse wurde mit der Kanaleröffnung 1914 in Betrieb genommen.
Anstelle der alten 165m langen und 10 m breiten Schleusenkammer hat die neue Kammer eine nutzbare Länge von 190 m und eine Breite von 12 m; daher können auch große Schubverbände mit Leichtern der Europa-Klasse II die Schleuse passieren.
Die Fallhöhe ist abhängig vom Rheinwasserstand. Bei entsprechendem Hochwasser des Rheins kann der Wasserstand rheinwärts sogar höher sein als im Kanal, sodass in den Kanal nicht wie üblich zu Berg, sondern zu Tal geschleust werden muss. Die Schleuse hat kein eigenes Pumpwerk, sondern die Pumpen im Hafenbecken C des Ruhrorter Hafens sorgen für das Rückpumpen des Wassers in den Kanal.
Die Schleuse kann von einer Person bedient werden. Hier am Beginn des Kanals befindet sich die Hebestelle für die Nutzungsgebühren, die ein- und ausfahrenden Schiffe werden registriert. Von hier werden auch die Ruhrschleusen Duisburg und Raffelberg gesteuert. Etwa 19000 Schiffe mit insgesamt 15 Millionen Tonnen Fracht passierten 2010 die Meidericher Schleuse.
Die Kanalstufe wurde mit nur einer Schleuse ausgestattet, da die Funktion einer zweiten die nahegelegene Ruhrschleuse Duisburg übernehmen kann..
(dazu habe ich Wikipedia zu Hilfe genommen, da ich mir das nicht alles gemerkt habe)
Jedoch führte der Schiffsführer aus, dass es wohl sehr viele Probleme mit dieser Schleuse gab und sie schon im Volksmund den Namen “Schleuse Meidemich“ bekommen hat.
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Gegen 14 Uhr erreichen wir den Baldeneysee. Fläche: 2,64 km² – Länge: 7,8 km
Da kommen bei mir Erinnerungen aus der Kindheits- und Jugendzeit hoch, wenn ich von München kommend meine Essener Großeltern und Onkel und Tanten, Cousine und Cousins besuchte:
Paddeln mit dem Onkel auf dem Baldeneysee Anfahrt zum Schwimmen mit dem Fahrrad, den Hund im Körbchen auf dem Gepäckträger und und und
Kommen wir zu den Fakten:
Nach ersten Planungen im Jahre 1927 durch den ersten Ruhrverbands-Geschäftsführer Karl Imhoff, der weitere Ruhrstauseen plante, und der Stadt Essen entstand zwischen Juli 1931 und März 1933 in Werden ein Ruhr-Stauwehr. Der Baldeneysee war als Absetzbecken für Schwebstoffe errichtet worden, denn durch die Verbreiterung und die daraus verringerte Fließgeschwindigkeit konnte sich die Ruhr auf natürliche Weise durch Sedimentation und Abbau von Verunreinigungen durch Mikroorganismen selbst reinigen. Diese Aufgabe übernehmen heute in erster Linie zahlreiche Kläranlagen.
Der Name Baldeneysee stammt daher, dass erste Planungen das Stauwehr in Höhe des Schlosses Baldeney im Ortsteil Baldeney vorsahen. Da sich diese Vorhaben wegen zu geringen Gefälles und daher zu geringer Stromerzeugung als unwirtschaftlich herausstellte, entschied man sich das Stauwehr weiter flussabwärts bei Werden zu errichten. Von dort erstreckt sich der Stausee heute bis zur Kampmannbrücke. Zum Bau des Sees wurden Grundstücke von Krupp benötigt. Als Gustav Krupp von Bohlen und Halbach aber zugesichert bekam, dass man den See von seiner Villa Hügel aus werde sehen können, stimmte er dem Bau zu. (Auszug aus Wikipedia)
Kaum sind wir auf dem See erhaschen wir oben, eingebettet im Grün der Laubbäume, einen Blick auf die Villa Hügel.
Da ich aber die Kamera nicht schnell genug bei der Hand hatte, wurde es nichts mit der eigenen Aufnahme und daher nehme ich Anleihe bei Norbert Großer
Dass der See ein sehr gut angenommenes Freizeitgebiet ist – noch dazu bei diesem Traumwetter – davon konnten wir uns überzeugen. Jede erdenkliche Art von Wassersport wurde betrieben, die Bäder gut belagert.
Oh, es gäbe noch so viel zu berichten was wir in der langen, geruhsamen, sonnigen Zeit mit guter Verpflegung genossen haben. So erwähne ich nur noch den Gasometer in Oberhausen in dem ständig wechselnde, äußerst sehenswerte Ausstellungen gezeigt werden. Zur Zeit „Der Berg ruft“, daneben ein Schwimmbad mit Glaskuppel, das bei schönem Wetter geöffnet werden kann sowie die Schurenbachhalde ist eine begrünte Berghalde mit der Stahlskulptur Bramme für das Ruhrgebiet von Richard Serra.
Nach der Rundfahrt zum Abschluß auf dem Baldeneysee legen wir um 16 Uhr an der Anlegestelle Hügel am Uhrenturm an.
Von hier aus hat man nun die Möglichkeit in ½ Stunde nach Werden zu gehen oder aber man läßt sich für 12 Euro mit dem Taxi bis unterhalb der Ludgeruskirche in Werden bringen.
Hermann Weiler legte uns für den 2 stündigen Aufenthalt bis zur Abfahrt um 18:30 Uhr vom S-Bahnhof Werden diese Kirche ans Herz, besonders machte er auf den Schrein aufmerksam.
Ich nehme wieder wikipedia zu Hilfe:
Die St.-Ludgerus-Kirche in Essen-Werden gilt als einer der bedeutendsten spätromanischen Kirchenbauten im Rheinland. Sie entstand zu Beginn des 9. Jahrhunderts als Abteilkirche des Benediktinerklosters Werden und wurde im 13. Jahrhundert im rheinischen Übergangsstil umgestaltet. Außerhalb des eigentlichen Kirchengebäudes befindet sich die Krypta mit dem Schrein des heiligen Ludgerus. Seit Aufhebung der Abtei ist St. Ludgerus katholische Pfarrkirche. Sie trägt seit 1983 den Titel Basilica minor. (Wikipedia)
Der Schrein ist im Grunde genommen die Nachbildung der Ludgerus-Kirche in Bronze eingerahmt von einem kunstvoll geschmiedeten Rankgitter, in dem sich bei genauem Hinsehen diverse Vögelchen und eine Bienenwabe mit Biene ausmachen lassen.
Zum Abschluß dann noch ein schöner Eisbecher in dem Kult-Eiscafé Kikas an einem äußerst – ich drücke es vorsichtig aus – lebhaften Platz.
Fazit:
Das war zwar ein langer Tag aber wunderschön und entspannend. Die Heimfahrt, Sonntagabend bei Superwetter, war zwar länger als der Hinweg, jedoch Busfahrer Peter kannte Ausweichstrecken und so waren wir um 20:30 Uhr wieder am Ehrenmal.
Neben den Attraktionen am Ufer links wie rechts bot sich auch die Gelegenheit alte, lange nicht mehr gesehene Bekannte wieder zu treffen.
Rundum: Ein gelungener Tag!
Meine Empfehlung, wenn Hermann Weiler im nächsten Jahr nochmal so eine Tour anbieten sollte: nichts wie hin!
Impressionen
Häfen
Schleusen
Begegnungen
Am Rande
Vielen Dank für die „Wiederbelebung der schönen Schifffahrt im Ruhrpott“.
H. Köster
Toll, man erlebt die Reise noch einmal. Ich bin begeistert.
Hallo Herr Roth, da kann ich nur DANKE sagen. Sehr guter und informativer Bericht über einen wunderschönen Tag. Herzlichen Gruß Hermann Weiler