Im vergangenen Jahr habe ich die Wanderung entlang des Textilen-Kunstwanderweges in Much gemacht und immer wieder gab es Berührungspunkte mit dem Wanderweg „Böll“.
Jetzt ist es soweit:
Es passt.
1. Anlauf am 12. Mai 2017:
Also fahre ich zum Fit Hotel in Much und los geht es:
Die Markierung ist vorgegeben: auf kleinen roten Schildchen mit der Nr. 20 und „BÖLLWEG“ wird man auf dem Themenweg geleitet.
Schon mal vorab: Hervorragend! Kann man gar nicht in die Irre gehen. An Masten, Stangen, Laternenpfählen überall sind die roten Wanderhinweise zur Fortsetzung der Tour gut zu erkennen.
Rund-Wanderwegstrecke: 12 km beginnend am Fit-Hotel in Much- Berghausen geht es durch die Örtchen: Berzbach – Marienfeld – Ortsiefen- Bröl – Neßhoven – Marienfeld – Berzbach – Germana-Kapelle und wieder zurück zum Fit-Hotel
8 Infotafeln geben Einblicke in das Leben der Familie Böll in den Jahre 1944 -1946 in Much.
Die erste Infotafel befindet sich direkt am Ausgangspunkt:
„Schreiben wollte ich schon immer, versuchte es schon früh, fand aber die Worte erst später“.
Zum 100. Geburtstag von Heinrich Böll rückt dieser Wanderweg wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit.
Die nächste Tafel befindet sich an einer Kreuzung oberhalb des Ortes Berzbach. Sie hat die Besonderheit: kurbelt man an dem kleinen Kasten so lange bis das rote Lichtchen erlischt und wenn man die entsprechende Taste drückt kann man Heinrich Bölls Originalstimme hören wie er z.B. über den Bombenalarm in Köln berichtet.
„Ich hasse den Krieg, ich hasse ihn aus tiefster Seele, den Krieg und jedes Lied, jedes Wort, jede Geste, jeden, der irgendwie etwas anderes kennt für den Krieg als Hass. Er ist ja so völlig sinnlos.“
Auf dem nächsten Stück Weg erwischt mich schon das Gewitter. Der Donner hat es längst vorher angekündigt. Trotz Regencape, ich werde nass. So beschließe ich in dem Örtchen Berzbach die Runde abzukürzen und zurück über die Germana-Kapelle zum Fit-Hotel zu gehen. Da kam mir meine Erinnerung an den Textilen Wanderweg zu Gute.
Vorbei geht es an dichtgedrängten Kühen und einem „Insektenhotel“, das ich sonst nicht zu Gesicht bekommen hätte.
Oberhalb, an der Zufahrtstraße zum Hotel, eine weitere Infotafel:
„Nur: In die Armee zurückzugehen, das bedeutete Trennung, wieder einmal Abschied;… Und Abschied in einem Nazikrieg konnte immer ein endgültiger sein.“
Nicht nur dass ich auf dem Böllweg wandere, zugleich ist es ja auch streckenweise der Familienwanderweg und kurz vor der Kapelle Germana steht die erste Glasscheibe mit einem Gedicht, kurz darauf noch eine und zugleich schöner Blick auf Much:
– Der Lyrikweg gesellt sich dazu.
Kurz darauf noch ein Hinweis:
– Kneipp-Erlebnisweg und
– Verbindungsweg Bergischer Panoramasteig/Bergischer Weg sowie
– Panorama-Rundweg.
Na bitte, ist das was?
1 ½ Stunden habe ich dafür gebraucht.
Dieser Weg ist fast identisch mit dem Familien-Wanderweg. Hier gilt es für die Kleinen Liedtexte zu vervollständigen.
Eine nette Idee.
2. Anlauf am 13. Mai 2017:
Weiterführung des Rundwanderweges.
Heute vom Spielplatz in Berzbach aus. Hier habe ich gestern die vorgesehene große Runde abgebrochen und ging in den Ort, um bei einem holzgeschnitzten Hinweis „Technik & Bauern Museum“ rechts abzubiegen.
Wanderwegstrecke: 2 Stunden inclusive vieler Stopps für Fotos und einem Schwatz über die Entstehung eines Wegekreuzes
Die Weiterführung des Weges ist wiederum schön eingebettet in die Landschaft. Sanft steigt es zu einem Sportplatz an auf dem sich die Jugendlichen ein Spiel liefern.
Fantastische Wolkengebilde schweben über den mit den mit Löwenzahn und ihren hübschen Samenständen, den Pusteblumen, übersäten Wiesen.
Schnell bin ich in dem Örtchen Marienfeld. Die Kirche ist – wie leider fast überall – geschlossen.
Vorbei an schönen, gepflegten Gärten führt mich der Weg abwärts in das Örtchen Ortsiefen.
Seit der von Dieter Siebert-Gasper geführten Wanderung „Kreuze und Bildstöcke am Wegesrand in Neunkirchen-Seelscheid“ bin ich dafür sensibilisiert und versuche seitdem die Wegekreuze, an denen ich vorbei wandere, zu fotografieren.
So auch in Ortsiefen. Der Besitzer kommt beim Fotografieren dazu und erklärt mir, wie es zu diesem Kreuz kam:
Er war in Ehrwald in Urlaub und sah bei einem Schnitzer, wie er an dem Korpus Christi arbeitete. Das Werk gefiel ihm so gut, dass er es kaufen wollte. Musste sich aber noch bis zur Fertigstellung eine Woche gedulden.
Dazu erwarb er auch noch einen Stamm für das Kreuz an sich und alles wurde hierher geschafft.
Ein Schreiner im Nachbarort Ruppichteroth schnitzte ihm dann das Kreuz.
Er wurde von Nachbarn darauf aufmerksam gemacht, dass ihn das wohl eine Stange Geld kosten würde.
Als das Werk vollendet war, aufgestellt und bei einem festlichen Essen eingeweiht wurde, fragte er nun den Schreiner, was er denn dafür bekomme. Die Antwort: „Nichts! Es hat mir so viel Freude gemacht und wahrscheinlich ist es das einzige Kreuz das ich in meinem Leben schnitzen werden, dafür will ich nichts.“
So was gibt es auch noch.
Vorbei an Angelteichen werde ich nun in den lichten Wald geleitet und gelange in den nächsten kleinen Ort: Bröl
Kurz vorher wieder eine Tafel:
„Ich fälschte das „amtlich“ verlängerte Datum, auch das verfiel und der Fetzen wurde allmählich so verschlissen und immer wieder übertippt, er war unbrauchbar.“
Heinrich Böll: Brief an meine Söhne
An üppigen Wiesen vorbei gelange ich nach Neßhoven.
Hier befindet sich eine weitere Infotafel mitten im Ort und ich nehme an, dass in dem daneben stehenden denkmalgeschützte Haus die Familie Böll damals Unterkunft gefunden hatte.
„Wir haben bei einem mittleren Bauern zwei bescheidene Zimmer, vollkommen ausreichend, aber einfach; leben einfach, und freuen uns auf die Heimkehr unseres armen kleinen Sohnes.“
Aus: Die Hoffnung ist wie ein wildes Tier
Aufwärts geht es durch den über 500 Jahre alten Ort – 1502 – 2002 – schöne Sprüche über Türen, „Kunst am Bau“ ausgefallene Gebäude mit bepflanzten Dächern, Wegekreuze und noch mehr Wegekreuze so komme ich wieder nach Marienfeld.
Hier klärt mich am Friedhof die Tafel u.a. darüber auf, dass hier der Sohn, Christoph, des Ehepaares Böll beerdigt ist.
Er wurde am 20. Juli 1045 als erstes Kind des Ehepaares Böll in Much geboren und starb drei Monate später im Krankenhaus in Siegburg an Brechdurchfall.
„Dieser kleine Knabe von drei Monaten war so reizend und viel versprechend! Uns bleibt nichts als sein kleines Grab da oben in Marienfeld; und die Gewissheit, dass er eben nicht tot ist, sondern lebt in einem besseren Leben.“
Aus: Die Hoffnung ist wie ein wildes Tier.
Das Mosaik auf dem Grabstein wurde von der Münchner Künstlerin Elisabeth Hoffman-Lacher gestaltet.
Eine junge Friedhofsbesucherin zeigt mir das Grab.
In Marienfeld lasse ich die Kirche rechts liegen und die Wegeführung geht runter zur Landstraße 312 nach Much bzw. Richtung Ruppichteroth.
Aber: Keine Bange: Es gibt einen Fußweg und nach Querung einer kleinen Parkanlage nur eine ganz kurze Strecke bis ich wieder rechts Richtung Bertzbach abbiegen kann. Vorbei an Felswänden bin ich schnell wieder an dem Plätzchen an dem eine weitere Infotafel ein Loblied auf den Bauern Peters singt, der mit seiner täglichen Gabe von 2 Liter Milch den Bölls wohl das Leben ermöglicht hat.
„Oh, ihr Milchsuppen des Winters 44/45, vielleicht verdanken wir Euch, verdanken wir dem Bauern Johann Peters unser Leben! Zwei Liter Milch täglich in in einem Kriegswinter. Die abendlich Milchsuppe war die Einzige sichere Mahlzeit.“
Aus: „Werke Kölner Ausgabe Band 23“ von Heinrich Böll.
Herausgegeben von Hans Joachin Bernhard und Klaus-Peter Bernhard, (C) 2007, BY Verlag Kiepenheuer & Witsch GMBH & CO.KG., S. 244
Auch gibt es hier an dem Plätzchen eine Aufklärungstafel über den Wunderbaum Eiche und die zugewanderten Pflanzen, die leider die Landschaft teilweise schon stark im Griff haben.
Der Ort ist mir nun von gestern und der Wanderung im letzten Jahr vertraut: Vorbei an einem Technik & Bauern Museum bin ich schnell bei meinem Auto. Trocken!
Auf der Heimfahrt regnet es. Glück muss der Mensch haben!
Fazit:
Es ist eine informative Wanderung über die Familie Böll.
Die Tour ist nicht sehr anstrengend und schlängelt sich durch eine liebliche Landschaft teilweise oberhalb des Homburger Bröltals, durch adrette Örtchen, die man sonst – im wahrsten Sinne des Wortes – links liegen lässt, fährt man von Neunkirchen über Wersch ins Homburger Bröltal.
Mir hat es gefallen! Zudem gab es als Gratisschau: phantastische Wolkengebilde!
IMPRESSIONEN
WEGKREUZE